Steven Heller – AVANT GARDE MAGAZINES of the 1900s-2000
Alt, aber Avantgarde – die Geschichte der Magazine des letzten Jahrhunderts lohnt einen Rückblick: Inspirierend und moderner als gedacht, liefert das Editorial Design vergangener Zeiten vielfältige Anregungen für zeitgenössische Werke.
Unter den ersten Magazinen, die mit Logos und ganzseitigen Titelgestaltungen arbeiten, sind »Jugend«, stilbildend für eine komplette Epoche und »Mother Earth«, Bradley's Buch über Design, das eigentlich eher ein Magazin oder eine Ideensammlung ist. Einflussreich allesamt, von einer Machart in Form, Gestaltung und Format, die damals Avantgarde der Gestaltung war und sich heute vor allem bei Independent Magazinen wiederfindet: Fernab des Mainstreams, mit individueller Typografie und Bildgestaltung.
»The Enemy«, eine Zeitschriftentitel mit einem großzügigen Weißraum auf der Titelseite, mit wie aus anderen Zeitschriften ausgeschnittenen Textzeilen drumherum, könnte in dieser Form auch eine Ausgabe von »Wired« sein. »New Masses«, nach dem Krieg wieder erschienen, feiert auf seinem Cover moderne Kunstrichtungen wie den Kubismus, konzentriert sich auf Architektur und Urbanität; Assoziationen zu einem gestrigen Vortrag über CityMags von Prof. Patrick Rössler, der über den Moderne und ihren Einfluss auf Titelseitengestaltung plauderte. Was auf den ersten Blick faszinierend modern wirkt, verblüfft vor allem beim Nachdenken über die Herstellungsprozesse der Magazine: Keine Computer, keine automatisierte Produktion, händische Prozesse von Illustration über Fotografie und Montage bis zum Satz; all diese Zeitschriften in der Tradition von »Jugend«, geprägt von Modernismus, der Wiener Sezession, der bauhaus-Tradition, könnten noch heute problemlos am Kiosk, jenem von Herbert Lechner gestern so wunderbar beschriebenen »Bordell der Leidenschaften«, überzeugen und ihre Käufer finden – mit handwerklich exzellentem Machart, verlockender Leidenschaft für Gestaltung und haptischem Zauber raschelnden, bedruckten Papiers.
Viele der historischen Druckerzeugnisse, die Steven Heller präsentiert, bescheren ihren Betrachtern ein Déjà Vu: Die Cover und Innenseiten, die aus dem Archiv der Magazingeschichte stammen, zum Teil fast 100 Jahre alt sind, überraschen - durch ihre Zeitlosigkeit, den stringenten Stil der Gestaltung, mit phantasievollem Spieltrieb derjenigen, die für das Editorial Design verantwortlich zeichnen. Ein Brückenschlag aus den Jahren 1900 bis 2000 zur qved 2015: In bunten Stapeln liebevoll arrangiert, zum Anfassen und Blättern liegen im zweigeschossigen Foyer der Alten Kongresshalle in München viele Entsprechungen zu historischen Ausgaben: Independent Magazine, denen ähnliche Magie innewohnt und die gleichsam zeitgenössische Spiegelbilder, bisweilen gestalterische Zwillinge ihrer in Archiven schlummernden Ahnen sind.
Steven Heller im Netz: www.hellerbooks.com



