Stefan Kiefer - Im Roten Rahmen

Auf Sylt geboren, in Nordfriesland großgeworden, das ist Stefan Kiefer, der sich selbst Unbeugsamkeit, eine gewisse Dickschädeligkeit und Beharrungsvermögen attestiert. Passende Charaktereigenschaften für einen Grafikdesigner und Art Director beim SPIEGEL: »Man muss manche Sachen durchhalten können in einem solchen Job« merkt Kiefer lakonisch an. »... dafür ist das ein toller Laden.« Mittlerweile ist Stefan Kiefer nicht mehr für die Titelseiten zuständig, sondern gestaltet die Monatsmagazine des SPIEGEL. Gemeinsamkeit der Monats- und Wochenmagazine: Schwerpunkt der Inhaltsvermittlung ist immer das Titelmotiv.

Kiefer entführt sein Publikum auf eine kurzweilige Zeitreise durch eine umfangreiche Sammlung der SPIEGEL-Cover, um gleichzeitig mit leichter Hand zu belegen, wie prägnant einzelne Titelseiten im roten Rahmen des SPIEGEL im Gedächtnis hängenbleiben: Ob Dali, Brandts Kniefall, §218-Debatte oder Mafia, aus dem stark beschnittenen Ausschnitt kann das Publikum im Rahmen eines kleinen Rätselspiels fast immer treffsicher das eigentliche Motiv entschlüsseln. Schon früh zeigt das Magazin gestalterische Extravaganz, »mit fetten Störern« (Kiefer), mit gezeichneten, montierten und fotografierten Titelbildern, die in der Gestaltung mit einzelnen Bildteilen gelegentlich aus dem Rahmen fallen. »Große Fußstapfen, in die ich dann getreten bin...« - 1996, als Stefan Kiefer mit seiner Arbeit für den SPIEGEL beginnt. 

Eigens produzierte Titelbilder wie das Foto von Laetitia Casta als Europa auf einem gezeichneten Stier (»sauteuer war das!«), die Illustration zur Reemtsma-Entführung, nachgebaute Marionettentheater, Karikaturen und Zeichnungen – die Bandbreite der wöchentlichen Titelseiten ist so vielfältig wie unterhaltsam und entfaltet ihre Wirkung vor allem durch die starke zeitliche Verdichtung der Präsentation. Was im Wochenabstand an Kiosk und Zeitungsstand liegt, folgt hier in Sekundenabständen und wird dadurch umso eindrücklicher und erkennbarer als visuelle Linie des SPIEGEL. Manche der Motive sind Rückbezüge auf bekannte Motive, Nachempfindung und Neuinterpretationen visueller Ikonen von Magritte bis Chaplin, dessen Zahnrad-Motiv aus »Modern Times« als Räderwerk mit zeitgenössischen Menschen darin für ein Cover im roten Rahmen komplett am Rechner nachgebaut wurde.

»Wenn wir das aufgreifen, dann direkt und heftig.« Stefan Kiefers kurzer Kommentar zu einem SPIEGEL-Titel über das Dilemma der katholischen Kirche mit Sexualität und Zölibat könnte auch stellvertretend als Beschreibung vieler anderer Titel stehen: Knapp, provozierend, prägnant, von Finanzkrise bis Politikdesaster, von Großer Koalition bis Klimawandel. Manchmal mit Augenzwinkern, oft ironisch, bisweilen schmerzhaft deutlich, was im Vorübergehen am Zeitungskiosk im Gedächtnis des potentiellen Lesers hängen bleiben soll, muss auch mal ordentlich weh tun (dürfen).

www.spiegel.de