Photographers' Session
Besondere Bedeutung beim Editorial Design kommt visueller Kultur und der Welt der Bilder zu. In der Photography Session versuchen Sven Ehmann, Nicole Bachmann, Muir Vidler, Heiner Müller-Elsner, Nicolo Degiorgis, Martin Kollar, Sylwany Zybura und Martina Wember den Erfordernissen von Bildsprache und -wirkung nachzuspüren.
Sven Ehmann hat eigentlich zwei Berufe: Als freiberuflicher Kreativdirektor tätig, beschäftigt er sich seit langem mit Gestaltung von Büchern, Printprodukten und hat eine eigene Verlagsplattform »Gestalten« ins Leben gerufen. Durch seine Wissbegier wurde er quasi im zweiten Beruf zum Kurator von Ausstellungen, zum Berater im Bereich Design, zum gefragten Redner und Workshop-Moderator. Sein schlichter Ratschlag für die Zusammenarbeit mit Fotografen lässt sich kurz zusammenfassen: Wer einmal die Bilder und den Fotografen oder die Fotografin gefunden hat, die mit den eigenen Ideen korrespondiert, sollte eine langfristige Zusammenarbeit anstreben. Und faire Honorare bezahlen. Nicole Bachmann arbeitet für zahlreiche unterschiedliche Kunden wie z.B. Omar Sosas Magazin »Apartamento« oder renommierte Unternehmen wie Vitra. Ihre Kunden lassen ihr überwiegend freie Hand; ein kurzes Briefing, ansonsten bleibt die Gestaltung der Bilder, die technische und inhaltliche Umsetzung komplett der Fotografin und ihrer individuellen Handschrift überlassen. Sie legt in ihrer Arbeit Wert auf Nähe, eine gewisse Intimität zu den Menschen vor der Kamera, den Zauber von Alltagsgegenständen und flüchtige Momente, die sie in ihren Porträts und Interieurs meist mit natürlichem Licht einfängt. Muir Vidler macht, so Sven Ehmann, »Fotos, die ihm den Kopf verdrehen und ihn schmunzeln lassen«; meist sind das Bilder von Menschen, die Vidler in höchst unterschiedlichen Situationen und Zusammenhängen beobachtet und fotografiert. Einprägsame Auftragsporträts von Stephen Hawking, Brian Eno oder Beth Ditto, Serien über »Rebels without a pause - Britain's aging rebels and mavericks«, »Cairo Baladi Bars – The last few bars left in downtown Cairo, Egypt« oder »Israeli Death Metal«. So interessant wie Muir Vidlers Bilder sind manchmal die Geschichten hinter den Bildern: Die Aktaufnahme einer Frau, die zwischen Schweinehälften im Schlachthof hängt – ein Bild, das den Betrachter zum mehrmaligen Hinsehen animiert. Und die Vorstellung der Situation, in der dieses Foto entstand, mit ungefähr 25 Schlachthofarbeitern mit Cockney-Akzent, die den Fotografen interessiert bei seiner Arbeit beobachteten....
Heiner Müller-Elsner, der seit langem unter anderem für STERN, GEO und viele andere Magazine tätig ist, arbeitet seit 2012 auch mit Drohnen. Seine Aufnahmen von Monumenten, die mithilfe der fliegenden Helfer entstehen, sind atemberaubend und lassen den Betrachter Bekanntes wie die Münchner Bavaria, den Kasseler Herkules oder Kaiser Wilhelm am Deutschen Eck in Koblenz völlig neu entdecken. Aus der Nähe, mit ungewöhnlichen Perspektiven, fesselnd und voller berückender Schönheit verleihen die Fotografien Heiner Müller-Elsners auf fast magische Weise ihren Betrachtern Flügel für eine Entdeckungsreise in ungesehen Unbekanntes. Nicolo Degiorgis macht Bücher. Fotobücher, die regelmäßig bei Wettbewerben mit Preisen ausgezeichnet werden: Gold beim Deutschen Fotobuchpreis, 1. Preis bei Aperture-Paris Photo, Autorenpreis bei den Rencontres d'Arles. Eine seiner beeindruckenden Arbeiten, »Hidden Islam«, beschäftigt sich mit den 1,35 Millionen Muslime in Italien – eine Auseinandersetzung mit einem versteckten Islam in Außen- und Innenansichten der improvisierten Moscheen und Gebetsräume, die meist unauffällig und vorübergehend in ehemaligen Geschäften, Diskotheken und Supermärkten eingerichtet wurden; sensibles Porträt muslimischer Gemeinden und Innensichten einer unbekannten Welt, deren Interpretation Degiorgis dem Betrachter seiner Bilder überlässt. Martin Kollar ist Wandler zwischen unterschiedlichen Welten, Grenzgänger zwischen Fotografie und Film. Seine fotografischen Arbeiten sind weltweit in renommierten Sammlungen und Ausstellungen vertreten, zu ihnen zählen der Martin-Gropius-Bau in Berlin, das Maison Européene de la Photographie Paris und DOX Prague; darüber hinaus steht Kollar auch hinter der Kamera: überwiegend für Dokumentarfilme. Sein jüngstes Buchprojekt aus Israel, »This Place«, nähert sich dem »totfotografierten Thema Israel« (Zitat Kollar) auf ungewöhnliche Weise und zeichnet in teils menschenleeren Bildern, teils in inszenierten Porträts, Landschaftsbildern und Stadtansichten das Alltagsleben einer von Konflikten und gewalttätigen Auseinandersetzungen geprägten Region nach. Sylwana Zybura, Linguistin und »Imagemacherin« (so bezeichnet sie sich selbst), kreiert Bilder ungewöhnlicher Hybridwesen, in denen Modefotos, Porträts, Science Fiction und Kunst miteinander verschmelzen. Beeinflusst von Dadaismus und Surrealismus, spielt »Madame Peripetie« mit Formen, Texturen, Farben und Körpern, die sie zu fremdartigen Lebewesen und Skulpturen zusammenfügt; manche von ihnen beschreibt Sylwana Zybura als »wohlvorbereitetes zufälliges Zusammentreffen« mehrerer Aspekte einer Entdeckungsreise, deren Ziele die Erforschung von Schönheit und Hässlichkeit, die Konstruktion und Dekonstruktion von Körpern, ihr Zusammenspiel und die Gesamtwirkung der künstlich zusammengefügten Teile sind. Bilderwelten von Körpern, die nicht nur Porträts, sondern auch Leinwand und Projektionsfläche sind – sowohl für die visuellen Ideen der Imagemacherin als auch die individuelle Interpretation und Enträtselung durch den Betrachter.
Martina Wember ist die einzige Nicht-Fotografin der Session. Als Illustratorin gehört sie dennoch zu den Bildermachern, die mit Leidenschaft und Fantasie Ideen und Gedanken in Figuren und Formen übersetzt. Aus ihrer Werkstatt stammt übrigens der Videoclip zur qved2015, der aus tanzenden Buchstaben, die über Magazinseiten schwebend ein überraschendes, augenzwinkerndes Eigenleben entwickeln, von Buchstaben zu Gegenständen werden, sich selbständig und aus dem Staub machen - um den Titel der Designkonferenz in verschiedenen animierten Variationen zu formen. Wie auf dem Kongress ist in den Living Letters alles in Bewegung. Die PhotographySession ist ein spannender Überblick: Über die individuellen visuellen Konzepte und Ideen ihrer Teilnehmer, deren Arbeiten unterschiedlicher nicht sein könnten. Dennoch ist allen Bildern eins gemeinsam: Sie bilden wie in einem Schattenriss, einer Doppelkontur neben der eigentlichen Geschichte, die jedes einzelne Foto erzählt, auch Innensichten, Haltungen und Stimmungen ihrer Macher ab. Ein Einblick in die tiefere Bedeutung von Bildern und ihrer Autoren, ohne deren visionäre Kraft in der Welt der Magazine und des Editorial Designs Existenzielles fehlen würde.
Sven Ehmann im Netz: www.gestalten.com
Nicole Bachmann im Netz: www.nicolebachmann.ch
Muir Vidler im Netz: www.muirvidler.com
Heiner Müller-Elsner im Netz: www.mueller-elsner.de
Nicolo Degiorgis im Netz: www.nicolodegiorgis.com
Martin Kollar im Netz: www.martinkollar.com
Sylwana Zymbura im Netz: www.madameperipetie.com
Martina Wember im Netz: www.wemberlines.de








