Illustrator Session
Am Anfang war ein Buchprojekt: »Freistil« zeigt über Jahre, was Illustratoren können und Illustration vermag. Was fehlt? »Erfrischendes, Neues, Radikales, Politisches, kurz: das, was weh tut, aus dem Mainstream herausragt.«. Eine provozierende Aussage, mit der Raban Ruddigkeit die erste große Session der qved 2015 eröffnet und nachfragt »Was bedeutet eigentlich Freiheit für Illustratoren?« in Zeiten des schnellen Wandels von Technologien, Perspektiven oder Trends.
Über die Arbeit mit Sprache, die Übersetzung von Texten in Bilder und einen Brückenschlag zwischen zwei höchst unterschiedlichen Welten erzählt Juliane Pieper. Wichtig sind ihr prägnante, plakative Lösungen mit Hintergründigkeit, »um die Ecke gedacht« nennt das die Illustratorin. Kein üppig buntes Bild, sondern in Farbigkeit und Schrift reduziert auf die Essenz ist beispielsweise ihre Illustration des Stichworts »Geistiges Eigentum« - eine Hand mit einem Haken fischt Buchstaben aus einer Gedankenblase. Freiheit und Pflicht liegen für Juliane Pieper eng beieinander: In der Verpflichtung für Illustratoren, ausgetretene Pfade von Sehgewohnheiten zu verlassen.
Eher zu den Wilden gehört Oliver Sperl, der in seinen Illustrationen für Kunden wie z.B. das »Berghain« in Berlin mit Versatzstücken der Fotohistorie und Popkultur spielt. Aus mädchenhaft-märchenhaften Bildern von Blumen und Pferden werden freie, gelegentlich schmerzhafte Interpretationen eigentlich harmloser Geschichten – wie der von Rotkäppchen - die der Grafikdesigner als »mitunter nicht so ganz politisch korrekt« bezeichnet. Dafür erzählen diese Illustrationen in weitestgehender künstlerischer Freiheit ihre ganz eigenen, provokanten Stories: Das berühmte Iwo-Jima-Bild von Joe Rosenthal widmet Oliver Sperl um zur Kritik: Seine Illustration, dem 70 Jahre alten Foto nachempfunden, zeigt die amerikanische Flagge, gehisst auf den Ruinen von (Schweizer) Banken; Sperl sieht seine Aufgabe und Freiheit als Illustrator in der Überschärfung von Realität, um Betrachter Zusammenhänge deutlich zu machen.
»Illustration ist meine Lieblingssprache, ich kann damit soviel mehr ausdrücken«, so beschreibt Lea Brousse ihre Idee künstlerischer Freiheit. »Den eigenen Hut aufzubehalten« ist bildliche Übersetzung ihres Credos, den eigenen Gedanken zu folgen; am liebsten lässt die Wahlberlinerin mit französischen Wurzeln ihre Bilder für sich selbst sprechen. Das Zeichnen als Werkzeug? Das findet Lea Brousse wunderbar, denn über Gefühle, Bilder und jenseits der Sprache »können Illustrationen die Welt nicht verändern, aber sie helfen dabei.«
GEZ, Energiewende, digitale Überwachung, eBooks und Zukunft von Bibliotheken, das sind Themen, mit denen sich Jörg Dommel in seiner Arbeit für Magazine und Tageszeitungen wie z.B. die Süddeutsche auseinandersetzt. Die Schere im Kopf ist ihm dabei durchaus bewusst: Dommel zeichnet das Bild (s)eines Gehirns, das mit einer Schere zu einen handlichen Quader zurecht gestutzt wird – das »selbstgebaute Lieblingsgefängnis« dient für ihn allerdings nur als Brücke zur Freiheit, wieder zu eigenen Ideen zurückzufinden: Über den Umweg der Frage »Was ist in meinem Kopf eigentlich drin?« und sein fränkisch-inniges Verhältnis zum Schwein und den kulinarischen Genüssen seiner Heimat. Schwein gehabt!
Für hochkarätige Kunden wie ZEIT, New York Times, Bloomberg Business Week und viele mehr setzt sich Senkrechtstarterin Cynthia Kittler mit Umwelt- und Gesellschaftsthemen auseinander. Ihre Serie »David Duchovny on Vacation« entstand zunächst als Serie von Zeichnungen, mit denen Cynthia Kittler fiktive Geschichten, inspiriert von einer amerikanischen Sci-Fi-Serie, erzählt. Freiheit liegt für die Illustratorin vor allem in der sehr persönlichen Haltung, die sie zu Geschichten und Texten entwickelt, um sie dann in Bildern umzusetzen. Manche eigenen Erlebnisse in Familie und Freundeskreis finden sich dann als Details wieder – wie beispielsweise Graffiti in den Illustrationen zu Robert Gernhardts Weihnachtsgeschichte »Die Falle«.
Wie sehr sich gedankliche Welten und Freiheiten auf dem Weg vom Studium in den Beruf verändern, beschreibt Jörg Dommel: »Man fängt von selbst an, sich immer mehr einzuengen. Dafür mache ich freie Projekte, bei denen ich die Sau rauslassen kann. Das ist dann halt nichts Kommerzielles.« Dabei sei doch, so Ruddigkeit, die Realität oft viel brachialer, unmittelbarer und verletzender als ihre Abbildung in Illustrationen; die Kollegen auf dem Podium winken ab: Verharmloste Abbildungen in Tageszeitungen sind oft der Angst eine Branche im Umbruch geschuldet, die nicht nur auf Befindlichkeiten von Anzeigenkunden achtet, sondern sich auch mit Argumenten wie »Das verstehen unsere Leser nicht!« gleichsam selbst zensiert.
Persönliche Geschichten auf dem Podium, persönliche Anmerkungen zum Spannungsfeld Freiheit-Redaktion auch aus dem Publikum: Zwischen der seltenen absoluten, künstlerischen Freiheit und Alltag von Auftragsarbeiten liegt ein komplettes Universum. »Hätte ich die alle laufen lassen, wäre nie etwas gedruckt worden.« merkt Stefan Kiefer an, selbst branchenerfahren als Illustrator – und langjähriger Art Director des SPIEGEL.
Illustratorenrunde »Freistil«
Juliane Pieper, Oliver Sperl, Lea Brousse, Jörg Dommel, Cynthia Kittler









