STERN – Wagnis Relaunch
791 Tage: Auf den Tag genau, Johannes Erler hat penibel nachgezählt, begann der Designer dort als Art Director. Mit seinem Büro ErlerSkibbeTönsmann zählt er illustre Namen zu seinen Auftraggebern: Die Süddeutsche, deren Relaunch das Büro inklusive Schriftdesign komplett gestaltete, verschiedene Verlage, Theater in Bremen, Dresden und Stuttgart. Seit 2012 bestimmt er als Art Director das äußere Erscheinungsbild des STERN und hat dessen Relaunch umgesetzt. Wieviel zähe Kleinarbeit hinter diesem Prozess steckt, beschreibt Erler in einer amüsanten Chronologie der kleinen Schritte über einen langen Zeitraum.
Tag 1. »Weiche Knie«. Tag 123. »Nordwind«. Erler benennt seine Referenztage, Nummer 123 ist einer davon, die Zeitmarke des Beginns: Der Relaunch startet als Idee, mit Archivwühlerei und ziemlich viel Grundlagenforschung. Wie bringt man eine Marke mit großer Vergangenheit in die Gegenwart? Wo steht der STERN in der Wahrnehmung seiner Leser? Wie baut man Brücken und übersetzt das in aktuelle Erscheinungsformen und Inhalte? Tag 219 bringt frische Luft in die Gedanken: Ein Besuch in New York, bei einem großen Verlag zwecks Erfahrungsgewinn liegt an. Tag 284, Deckname Caruso. Größere Veränderungen zeichnen sich ab, ein weitgehender Umbau der Redaktion ebenso, ein neues Redaktionsorganigramm entsteht. Neustrukturierung, Motivation sind wesentliche Bausteine des Relaunchs: Was eine Redaktion nicht abbildet und mitträgt, kann selten gelingen.
Was auf den ersten Blick eher sparsam erneuert erscheint, ist bei näherem Hinsehen durchaus komplex: zahlreiche neue Rubriken in neuer Aufteilung, eine Rückkehr zu großformatigen Bildstrecken, dazu ein komplett neu entworfenes, auf den STERN individuell angepasstes Schriftdesign. Erler ist 49 – und ist mit dem STERN quasi groß geworden. Dementsprechend orientiert er sich an seinen eigenen Erfahrungen mit dem Magazin. Ein Rückblick ist das, und in manchen Aspekten auch eine Rückkehr, ohne jedoch (zu) alt zu wirken, das ist sein Ziel. Tag 351 – Online startet der Umbau ebenfalls. Und so richtig geht es los am Tag 388: »Es wird klar, dass das jetzt gemacht wird. Als dieser Tag zu Ende war, war ich sehr müde.« sagt Erler.
In den Wochen, die auf die erste Nummer des Relaunchs folgen, verändert sich das Magazin weiter. Die Schrifttypen des Covers werden in den Vordergrund geschoben, wandeln sich von Ausgabe zu Ausgabe in feinen Details. Die Redaktion probiert aus, experimentiert mit Störern und der Menge dessen, was auf einem Titel unterzubringen ist. Relaunch ist sozusagen »work in progress«, ist ein stetiger Prozess der kleinen Schritte. Der Weg ist das Ziel. Tag 723, »Das Beste zum Schluss«: Titelseite, Innenteil, doppelseitige Bilderseiten, Typografie und Inhalte – die Gestaltung der Jahresendausgabe macht Johannes Erler hochzufrieden. »Reduziert zu arbeiten, so wie bei der Snowden-Geschichte, ganz ohne Headline, das hat einfach unglaublich Spaß gemacht.«
Tag 791. Der Stand der Dinge. Die aktuelle Ausgabe des STERN liegt am Kiosk. Perspektiven für Johannes Erler? Jede Menge: Stille Geschichten mit zurückhaltender Typografie, aktuelle politische Reportagen mit beeindruckenden Fotos. Der erste Einblick in das geplante Mode Supplement mit Bildern der Leipziger Malerin Rosa Leu lässt erahnen: Da geht noch was. More to come, Print ist noch lange nicht tot, ermutigend klingt Erlers Fazit »...man kann immer noch tolle Magazine machen.«


