Patrick Rössler – »zum teil sogar ganz nette arbeit.«
»zum teil sogar ganz nette arbeit« legt nahe: Herbert Bayers Arbeiten waren ganz und gar keine netten Arbeiten, jedenfalls nicht im Sinne von Gefälligkeit und Oberflächlichkeit. Der ehemalige Bauhaus-Meister, der bis zu seiner endgültigen Emigration 1938 ein schwieriges Arrangement mit den Faschisten einging, wurde berühmt für seine wegweisenden Gestaltungen. Unzeitgemäß waren sie allemal – und vor allem dadurch, dass Herbert Bayer seiner Zeit weit voraus war; als Belege dafür mögen Titelseiten der Bauhauszeitschrift von 1928, später von Harpers Bazaar (1940, das Beispiel einer Titelseite mit einem seriellen Frauenporträt), der »Brücke« und der Zeitschrift »Schlesisches Heim« dienen. Serifenlose Typen, Versalien, klare Absetzung einzelner Textblöcke sind frühe Elemente dieser zukunftsweisenden Handschrift.
Ein Porträt von Bayer aus dem Jahr 1926 belegt die Arbeitshaltung des Künstlers: Der Grafikdesigner als Handwerker und Künstler, der für ausnahmslos alle Schritte der Produktion verantwortlich ist und das Gesamtprodukt gestaltet. Ein avantgardistischer Ansatz des allumfassenden Einflusses auf ein Ergebnis, der sich in diesem Bildnis Bayers wiederfindet – und Herbert Bayer schnell in die Berühmtheit katapultierte: als Art Director der deutschen Vogue, mit rund 35000 Exemplaren im Herbst 1928 eines der renommiertesten Magazine Deutschlands. Mit seiner charakteristischen Handschrift der asymmetrische Headlines, Spaltensatz und serifenlose Schrifttypen prägte er lange Zeit das moderne Erscheinungsbild der Vogue Deutschland.
In seiner Radikalität der Gestaltung ist Herbert Bayer wegweisend für zukünftige Designer: Freie, monochromatische Flächen, mit denen er virtuose Puzzles der Farbigkeit inszeniert, konsequente Kleinschreibung im Textfluss - die modernistische Gestaltungselemente des Bauhauses fanden über die Zeitschrift »die neue linie« den Weg in zahlreiche Alltagsprodukte. Umso spannender ist der Weg von Herbert Bayer während der Nazizeit: Was in manchen Aspekten wie strikter Rationalität und Sparsamkeit nicht unbedingt im Widerspruch zur Ideologie der Nazis stand, war auch in Gebrauchsfähigkeit den Machthabern zunächst unverdächtiger als Kunst. Insofern war es Bayer bis 1938 erstaunlicherweise relativ problemlos möglich, die Gestaltung von »die neue linie« weiterhin zu übernehmen. Dennoch entschloss sich der Gestalter 1938 zur Emigration; seine Arbeiten dienten zweifellos der politischen Propaganda – bis 1936. Aus seinen Tagebüchern und dem Briefwechsel mit seiner Frau Irene geht für Patrick Rössler hervor, welch kompliziertes Arrangement Herbert Bayer mit den faschistischen Machthaber einging. Zwischen privaten Verstrickungen und beruflichen Erfolgen erzählt Rössler das faszinierende Bild einer schillernden Persönlichkeit, eines sensiblen Künstlers, aufgerieben zwischen Alltag und Vision.

